Helden-Epos im Stil von Homers Ilias mit neuem Gewand
"Darthula, die schönste Prinzessin der Nebellande …" - so beginnt der Klappentext des Kurzromanes von Petra Hartmann. Bereits dieser Einstieg zeigt Parallelen zu Homers Illias. Wie in dem Werk des griechischen Dichters handelt auch "Darthula" von Krieg und Leid ausgelöst durch eine schöne Frau. Beide Frauen scheinen sich zwar einer "Schuld" bewusst zu sein, doch dies reicht nicht tief genug, um über den Schatten zu springen und die Liebe zu vergessen. Allerdings beginnen hier auch schon entscheidende Unterschiede: Helena von Troja ist blond, flieht vor ihrem Ehemann in die Festung ihres Liebsten und greift nie selbst ins Kampfgeschehen ein. Darthula ist braunhaarig, unverheiratet (bringt also das Reich ihres Bruders in Gefahr) und ist eine begnadete Bogenschützin.So beginnt das Werk in den Wäldern der Nebellande, wo Darthula einen imposanten Hirsch für das Festmahl ihres Vaters erlegt: König Konna wird sein Amt niederlegen und die Krone seinem Sohn Truthil vermachen. Zu diesem Anlass hat er alle Könige der Nebellande in seine Burg geladen, auch den mächtigen König Temoras Cairbar. Der findet Gefallen an Darthula, will sie zu seinem Eigentum machen, doch sie weist ihn zurück. Zorn entbrannt reist er ab und droht dem kleinen Königreich mit Krieg. Unglücklicherweise macht er diese Drohung gerade dann wahr als all die anderen Reiche, die dem neuen König Truthil ihren Beistand versprochen haben, dank der ungünstigen Winde nicht in der Lage sind, übers Meer zu Hilfe zu eilen.
Wie Troja versinkt auch Selama mehr und mehr im Unglück: zuerst verliert es seinen jungen König Truthil, der von einem Hünen vernichtet wird wie Hektor von Achilles, und schließlich stürzt auch der alte König wie Priamos. Wie die Griechen von Troja nur eine Ruine übrig ließen, hat Selama keine Chance. Der Kurzroman gleicht dem antiken Werk mit jeder Seite mehr. Vor- und Nachteil zugleich.Wer fantastische Welten mag, die auf solch alte Epen aufbauen und eine bezaubernde Atmosphäre schaffen, der wird dieses Werk lieben, denn es fehlt nicht einmal an epischen Gesängen, die außerdem an Szenen aus Tolkiens "Herr der Ringe" erinnern. Wem die Entwicklung von Charakteren und ihre Vielschichtigkeit wichtig ist, wird - wie bei den antiken Werken - bitter enttäuscht. Der dunkle Bösewicht zeigt kein Erbarmen. Die strahlende Heldin wird nicht gebrochen. Der Krieger stirbt im vollen Glanze. So ist die Schwarz-Weiß-Zeichnung bis zum Ende aufrecht erhalten. Passend zum Vorbild, doch nicht jedermanns Geschmack.
Ein Blick in das Werk schadet allerdings auch dem nicht, den die antiken Epen nicht völlig vereinnahmen: Es ist kurzweilig und die Atmosphäre schön dicht gezeichnet, dass es beinahe wirkt als wandle man selbst mit den Nebeln über die Küsten und Felsen Selamas.