Bonusmaterial: Ossians Darthula, übersetzt von Petra Hartmann


Ossian/James Macpherson: Darthula
übersetzt von Petra Hartmann

Tochter des Himmels, schön bist Du! Das Schweigen Deines Antlitzes ist freundlich. Du trittst heraus in Lieblichkeit. Die Sterne säumen Deine blaue Bahn im Osten. Die Wolken erfreuen sich in Deiner Gegenwart, o Mond! Sie lassen ihre dunklen, braunen Ränder erglänzen. Wer gleicht Dir im Himmel, Licht der stillen Nacht? Die Sterne stehn beschämt in Deiner Gegenwart. Sie wenden ihre leuchtenden Blicke ab. Wohin gehst Du zur Ruhe von Deiner Bahn, wenn das Dunkel mit Deiner Fortdauer wächst? Hast Du Deine Halle wie Ossian? Wohnst Du im Schatten des Kummers? Fielen Deine Schwestern vom Himmel herab? Sind die sich bei Nacht mit Dir freuten nicht mehr? Ja, sie sind gefallen, schönes Licht. Und Du ziehst dich oft zurück zu klagen. Du selbst wirst verblassen eines Nachts und Deinen blauen Pfad am Himmel verlassen. Dann erheben die Sterne ihr Haupt: Sie, die Deine Gegenwart beschämte, werden sich freuen. Doch noch bist Du gekleidet in Deine Strahlkraft. Schau aus Deinen Toren im Himmel. Jag’ die Wolken auseinander, o Wind! Daß die Töchter der Nacht herausblicken können, daß die zottigen Berge erstrahlen und der Ozean seine weißen Wellen im Lichts kraust.

Nathos ist in der Tiefe, und Althos, das Licht der Jugend. Ardan ist bei seinen Brüdern. Sie irren durch das Dunkel ihres Weges. Die Söhne Usnoths fliehen in der Finsternis vor dem Zorn Cairbars von Erin. Wer ist das, dunkel an ihrer Seite? Die Nacht verhüllt ihre Schönheit. Ihr Haar seufzt im Wind des Meeres. Ihr Kleid fließt nieder in dunklen Ringen. Sie ist wie der helle Geist des Himmels inmitten des schattigen Nebels. Wer anders ist es als Darthula, die erste der Mädchen von Erin? Sie floh vor der Liebe Cairbars mit Nathos, dem Träger des blauen Schildes. Aber die Winde trogen Dich, o Darthula. Sie versagten Deinen Segeln das waldige Etha. Dies sind nicht die Berge Nathos’, noch ist dies das Brüllen seiner Brandung. Die Hallen Cairbars sind nahe: Die Türme des Feindes erheben ihr Haupt. Erin schiebt seine grüne Landzunge weit ins Meer hinaus. Turas Bucht nimmt auf das Schiff. Wo wart ihr, Südwinde, als die Söhne meiner Liebe betrogen wurden? Aber ihr spieltet in den Ebenen, verwehtet die Bärte von Disteln. O daß ihr gerauscht hättet in Nathos’ Segeln, bis die Hügel Ethas sich erhoben! Bis sie aufragten in ihren Wolken und ihren heimkehrenden König sahen! Lange warst Du fort, Nathos. Der Tag Deiner Heimkehr ist dahin.

Doch das Land der Fremden sah Dich, Lieblicher! Lieblich warst Du in den Augen Darthulas. Dein Antlitz war wie das Morgenlicht, Dein Haar wie die Schwinge des Raben. Deine Seele war freigebig und mild wie die Stunde des Sonnenuntergangs. Deine Worte waren wie der Wind im Schilf, wie der fließende Strom von Lora. Doch wenn sich Schlachtgetöse erhob, warst Du wie das Meer bei Sturm. Das Dröhnen Deiner Waffen war schrecklich. Das Heer zerstob beim Laut Deines Heranstürmens. Da war es, als Darthula Dich erblickte von der Höhe ihres bemoosten Turmes, vom Turme Selamas, wo ihre Väter wohnten. „Lieblich bist Du, o Fremder“, sprach sie, denn ihre bebende Seele erwachte. „Schön bist Du in Deinen Schlachten, Freund des gefallenen Cormac. Warum stürmst Du vorwärts in Deiner Tapferkeit, junger Krieger mit gerötetem Antlitz? Wenig sind Deine Hände im Kampf gegen den dunklen, braunen Cairbar. O daß ich frei wäre von seiner Liebe! Daß ich mich freuen dürfte der Gegenwart Nathos’! Glücklich sind die Felsen Ethas. Sie werden seine Wege sehen auf der Jagd, sie werden seine weiße Brust sehen, wenn die Winde sein fließendes Haar wehen lassen.“ So waren Deine Worte, Darthula, auf den moosigen Türmen Selamas.

Doch nun ist Nacht um Dich. Die Winde haben Deine Segel betrogen, die Winde betrogen Deine Segel, Darthula. Ihr Brausen tönt in der Höhe. Laß ab eine Weile, o Nordwind! Laß mich hören die Stimme der Lieblichen. Deine Stimme ist lieblich, Darthula, in den heulenden Winden. „Sind dies die Felsen Nathos’?“ sprach sie, „dies das Rauschen Deiner Bergströme? Kommt dies Licht aus Usnoths nächtlichem Saal? Nebel breiten sich aus ringsum, das Licht ist schwach und weit entfernt. Doch das Licht der Seele Darthulas leuchtet im König von Etha. Sohn des hochherzigen Usnoth, warum dieser gebrochene Seufzer? Sind wir im Land der Fremden, König des widerhallenden Etha?“ „Dies sind nicht die Felsen von Nathos“, erwiderte er, „noch ist dies das Brausen seiner Ströme. Kein Licht scheint aus dem Saale Ethas, denn sie sind weit entfernt. Wir sind im Land der Fremden, im Land des grausamen Cairbar. Die Winde betrogen uns, Darthula. Hier erhebt Erin seine Berge. Geh nach Norden, Althos. Du, Ardan, richte Deine Schritte der Küste entlang, daß der Feind nicht im Dunkel komme und unsere Hoffnung auf Etha scheitere. Ich selbst will dort zu dem bemoosten Turme gehn und nachschaun, wer bei diesem Licht wohnt. Raste, Darthula, am Strand. Raste in Frieden, liebliches Licht. Nathos’ Schwert ist um Dich wie der Blitz des Himmels.“

Er ging. Sie saß allein. Sie hörte das Rollen der Wellen. Eine Träne im Auge, späht sie nach dem rückkehrenden Nathos. Ihre Seele bebt im Wind. Sie wendet ihr Ohr seinen Tritten zu. Seine Tritte sind nicht zu hören. „Wo bist Du, Sohn meiner Liebe! Das Brüllen des Windes umgibt mich. Dunkel ist die wolkenverhangene Nacht. Aber Nathos kehrt nicht zurück. Was hält Dich auf, König von Etha? Trafen Feinde den Helden auf seinem Weg durch die Nacht?“ Er kehrte zurück. Doch seine Miene war dunkel. Er sah seinen dahingegangenen Freund. Es war die Mauer Turas. Einsam wandelte dort der Geist Cuthullins. Das Seufzen seiner Brust verstummte nicht. Die erloschene Flamme seiner Augen war Schrecklich. Sein Speer war eine Säule aus Nebel. Sterne blickten trüb durch seine Gestalt. Seine Stimme klang hohl wie Wind in Felsenhöhlen, sein Auge war wie ein schwaches Licht aus der Ferne. Er erzählte von seiner Begegnung voll Kummer. Die Seele Nathos' war traurig wie die Sonne an einem Nebeltag, wenn ihr Antlitz wässrig und trübe blickt. „Warum bist Du traurig, o Nathos,“ sagte die liebliche Tochter Collas. „Du bist wie ein Pfeiler aus Licht für Darthula. Die Freude ihrer Augen ist Ethas König. Wo ist ein Freund für mich, wenn nicht Nathos? Mein Vater, mein Bruder ist gefallen. Schweigen wohnt in Selama. Traurigkeit breitet sich aus über die blauen Ströme meines Landes. Meine Freunde sind gefallen mit Cormac. Die Mächtigen wurden erschlagen in den Schlachten Erins. Höre, Sohn Usnoths! Höre, o Nathos, die Geschichte meines Kummers:
„Der Abend lag dunkel auf der Ebene. Die blauen Ströme wichen vor meinen Augen. Windstöße, auf- und abschwellend, fuhren rauschend durch die Wipfel der Wälder Selamas. Mein Sitz war unter einem Baum auf den Wällen meines Vaters. Truthils Bild zog an meiner Seele vorbei, der Bruder meiner Liebe. Abwesend war er, im Kampf gegen den stolzen Cairbar. Auf seinen Speer gestützt nahte sich mir der grauhaarige Colla. Sein Antlitz war betrübt und dunkel, und Trauer wohnte in seiner Seele. Sein Schwert hing an der Seite des Helden, der Helm seines Vaters saß auf seinem Haupte. In seiner Brust wuchs ein Kampf an. Er suchte, seine Tränen zu verbergen. ‘Darthula, meine Tochter', sprach er, 'Du bist die letzte von Collas Stamm. Truthil ist im Kampf gefallen. Der König von Selama ist nicht mehr. Cairbar kommt, mit tausend Männern rückt er vor zu Selamas Mauern. Colla wird seinem Stolz begegnen und seinen Sohn rächen. Aber wo soll ich für Dich Schutz finden, Darthula mit dunklem, braunen Haar? Lieblich bist Du wie ein Sonnenstrahl vom Himmel, und Deine Freunde sind schwach.’ ‘Ist der Sohn im Kampf gefallen?’ brach ein Seufzer aus mir hervor. ‘Leuchtet die große Seele nicht mehr über das Schlachtfeld? Mein Schutz, Colla, liegt in diesem Bogen. Ich habe gelernt, wilde Tiere zu treffen. Ist nicht Cairbar wie ein Hirsch in der Wüste, Vater des gefallenen Truthil?’ Das alte Gesicht hellte sich auf vor Freude. Die Tränenfülle seiner Augen strömte herab. Die Lippen Collas zitterten. Sein grauer Bart wehte im Wind. ‘Du bist die Schwester Truthils’, sprach er, ‘in Dir brennt das gleiche Feuer wie in seiner Seele. Nimm, Darthula, nimm diesen Speer, diesen ehernen Schild, den polierten Helm. Sie sind die Beute eines Kriegers, eines Sohns der frühen Jugend. Wenn die Sonne heraufzieht über Selama, ziehen wir aus, den wagengetragenen Cairbar zu treffen. Doch bleib nahe dem Arm Collas, im Schatten meines Schildes. Dein Vater, Darthula, konnte dich einst schützen, doch nun zittert das Alter in seiner Hand. Die Kraft seines Arms ist gewichen. Seine Seele ist verdunkelt von Kummer.’
Wir verbrachten die Nacht in Sorge. Das Morgenlicht erschien. Ich erschien, gerüstet zur Schlacht. Vor mir schritt der grauhaarige Held. Die Söhne Selamas scharten sich um den tönenden Schild Collas. Aber nur noch wenige waren sie auf der Ebene, und ihre Locken waren grau. Die Jugend war gefallen mit Truthil im Kampf des wagengetragenen Cormac. ‘Freunde meiner Jugend', sprach Colla, ‘so saht Ihr mich noch nie in Waffen. So zog ich nicht aus zur Schlacht, als der große Confaden fiel. Doch Ihr seid bedrückt von Kummer. Die Dunkelheit des Alters kommt heran wie der Nebel der Wüste. Mein Schild ist schadhaft geworden im Laufe der Jahre. Mein Schwert hing als Schmuck an der Wand. Ich sprach zu meiner Seele: Dein Lebensabend soll ruhig sein, Dein Scheiden wie das Sinken der Sonne. Doch der Sturm kehrte zurück. Ich bog mich wie eine alte Eiche. Meine Äste fielen nieder auf Selama. Ich zitterte an meinem Ort. Wo bist Du mit Deinen gefallenen Helden, o mein geliebter Truthil? Du antwortest nicht aus den rauschenden Stürmen. Die Seele Deines Vaters ist traurig. Doch ich will nun nicht mehr traurig sein. Cairbar oder Colla, einer muß fallen. Ich fühle die Kraft des Armes zurückkehren. Mein Herz schlägt zum Kampfgetöse.’ Der Held zog sein Schwert. Die schimmernden Klingen seines Volkes hoben sich. Sie zogen hinaus aufs Feld. Ihr graues Haar wehte im Wind. Cairbar saß beim Festmahl in der stillen Ebene Lonas. Er sah die Helden heranstürmen. Er rief seine Heerführer. Was soll ich Nathos erzählen, wie die Schlacht anwuchs? Ich sah Dich inmitten Tausender wie den Strahl des Himmelsfeuers. Es ist schön, doch schrecklich. Der Speer Collas flog. Er gedachte der Schlachten seiner Jugend. Ein Pfeil flog sirrend heran. Er bohrte sich in die Flanke des Helden. Er stürzte auf den widerhallenden Schild. Furcht ergriff meine Seele. Ich schirmte ihn mit meinem Schild. Doch meine Brust hob sich und wurde gesehen. Cairbar kam mit dem Speer. Er erkannte das Mädchen von Selama. Freude breitete sich aus über sein dunkles, braunes Gesicht. Er hielt den erhobenen Speer zurück. Er errichtete ein Grabmal für Colla. Er brachte mich Weinende nach Selama. Er sprach von Liebe, doch meine Seele war traurig. Ich sah die Schilde meiner Väter, das Schwert meines Bruders Truthil. Ich sah die Waffen der Toten. Tränen rannen meine Wangen hinab. Dann kamst Du, o Nathos, und der düstere Cairbar floh. Er floh wie ein Geist aus der Wüste vor dem Morgenlicht. Sein Heer war fern, und schwach war sein Arm gegen Deinen Stahl. Was bist Du traurig, o Nathos?“ fragte Collas liebliche Tochter.
„Ich begegnete“, sprach der Held, „dem Kampf in meiner Jugend. Mein Arm konnte den Speer noch nicht heben, als die Gefahr erstmals sich erhob. Meine Seele erstrahlte im Angesicht des Krieges wie ein schmales Tal ergrünt, wenn die Sonne ihr Licht verströmt, bevor sie ihr Haupt im Sturm verbirg. Wer einsam auszieht, erlebt eine traurige Freude dabei. Er sieht Dunkelheit, die langsam herankriecht. Meine Seele erstrahlte in Gefahr wie ein Stern, der nachts über dem Hügel erglänzt. Die Wolke rückt heran und bedroht das liebliche Licht. Wir sind im Land der Feinde. Die Winde betrogen uns, Darthula. Die Macht unserer Freunde ist fern wie die Berge von Etha. Wo finde ich Frieden für Dich, Tochter des mächtigen Colla? Die Brüder Nathos’ sind tapfer, und sein eigenes Schwert ist kampferprobt. Doch was sind Usnoths Söhne gegen das Heer des dunklen, braunen Cairbar. Ach daß die Winde Deine Segel gebracht hätten, Oscar, König der Männer! Du versprachst, zu kommen zu den Schlachten des gefallenen Cormac. Dann wäre meine Hand stark wie der flammende Arm des Todes. Cairbar erzitterte in seinen Hallen, und Fieden wohnte um Darthula. Aber warum sankest Du, meine Seele? Die Söhne Usnoths mögen siegen.“

„Und sie werden siegen, o Nathos!“ sprach sich erhebend die Seele des Mädchens. „Niemals wird Darthula erblicken die Hallen des düsteren Cairbar. Gib mir die kupfernen Waffen, die glänzen vom Licht der fallenden Sterne. Ich sehe sie matt im dunkelbauchigen Schiff liegen. Darthula wird in stählerne Schlachten ziehen. Geist des edlen Collar! Ich erblicke Dich dort auf der Wolke. Wer ist der Betrübte an Deiner Seite? Ist es der wagengetragene Truthil? Soll ich betreten die Hallen dessen, der Selamas König erschlug? Nein, niemals werde ich das tun, Geister meiner Liebe!“

Freude stieg auf in Nathos’ Antlitz, als er das Mädchen mit der weißen Brust hörte. „Tochter Selamas, Du erhellst meine Seele. Komm mit Deinen Tausenden, Cairbar! Die Kraft Nathos’ kehrte zurück. Du, o alter Usnoth, sollst nicht hören, daß Dein Sohn floh. Ich erinnere mich Deiner Worte in Etha, als ich meine Segel setzte zur Fahrt nach Erin, zu den Mauern Turas. ‘Du gehst', sprach er, ‘o Nathos, zum König der Schilde. Du gehst zu Cuthullin, dem König der Männer, der niemals floh vor einer Gefahr. Laß Deinen Arm nicht schwach sein, noch richte Dein Denken auf Flucht, daß nicht der Sohn Semos sage, Ethas Stamm sei schwächlich. Seine Worte können zu Usnoth dringen und seine Seele betrüben in der Halle.’ Eine Träne rollte über meines Vaters Wange. Er gab mir sein glänzendes Schwert.

„Ich kam zur Bucht von Tura. Doch Turas Säle waren still. Ich blickte um mich, doch niemand war dort, um mir zu berichten vom Sohne des hochherzigen Semo. Ich trat in die Halle der Muscheln, wo die Waffen seines Vaters hingen. Doch die Waffen waren fort, und der alte Lamhor saß dort in Tränen. ‘Woher kommen die stählernen Waffen?“ sprach Lamhor und erhob sich. ‘Das Leuchten des Speers war lange fort von Turas dunklen Mauern. Kommst Du von der rollenden See? Oder aus Temoras jammervollen Hallen?’ ‘Wir kommen von See', sprach ich, ‘von Usnoths aufragenden Türmen. Wir sind die Söhne Slissamas, der Tochter des wagengetragenen Semo. Wo ist Turas König, Sohn des stillen Saales? Doch was soll Nathos fragen? Denn ich sehe Deine Tränen. Wie fiel der Mächtige, der Sohn des einsamen Tura?’ ‘Nicht fiel er', entgegnete Lamhor, ‘wie der schweigende Stern der Nacht, wenn er durch die Dunkelheit fliegt und dann nicht mehr ist. Er war wie ein Meteor, der fern ins Land hinabschoß. Der Tod begleitete seinen traurigen Weg. Dies ist ein Zeichen des Krieges. Jammervoll sind die Ufer von Lego und das Brüllen des strömenden Lora. Dort fiel der Held, Sohn des edlen Usnoth.’ ‘Der Held fiel inmitten der Schlacht’, sprach ich, und ein Seufzer brach aus mir hervor. ‘Seine Hand war stark im Krieg. Dunkel saß der Tod hinter seinem Schwert.’

„Wir kamen zu Legos tönenden Ufern. Wir fanden sein aufragendes Grabmal. Seine Kampfgefährten saßen dort, seine Barden vieler Lieder. Drei Tage klagten wir um den Helden. Am vierten schlug ich an den Schild Caithbats. Die Helden scharten sich freudig um mich und hoben ihre glänzenden Speere. Gorlath war nahe mit seinem Heer, der Freund des wagengetragenen Cairbar. Wir kamen wie ein Strom bei Nacht. Seine Helden fielen vor uns. Als das Volk im Tal erwachte, sah es ihr Blut im Morgenlicht. Wir aber zogen weiter wie Nebelschwaden, zu Cormacs widerhallendem Saal. Unsere Schwerter hoben sich, den König zu verteidigen. Doch Temoras Hallen waren leer. Cormac war gefallen in der Blüte seiner Jugend. Der König Erins war nicht mehr.

„Traurigkeit ergriff die Söhne Erins. Langsam, traurig wichen sie. Wie Wolken, die lange mit Regen drohten hinter den Bergen verschwinden. Die Söhne Usnoths zogen in ihrer Trauer hin zu Turas tönender Bucht. Wir durchquerten Selama. Cairbar wich zurück wie der Nebel von Lena, wenn ihn der Wind verweht. Da war es, als ich Dich erblickte, o Darthula! Wie das Licht der Sonne Ethas. ‘Lieblich ist Dein Glanz’, sprach ich. Das gedrängte Seufzen meiner Brust erhob sich. Du kamst in Deiner Schönheit, Darthula, zu Ethas gramvollen König. Doch die Winde betrogen uns, Tochter Collas, und der Feind ist nahe.“ „Ja, der Feind ist nahe“, sprach Althos voll rauschender Kraft. „Ich hörte das Schlagen ihrer Waffen an der Küste. Ich sah die dunklen Kränze von Erins Feldzeichen. Die Stimme Cairbars ist leicht zu erkennen, laut wie der Wasserfall Cromlas. Er sah das schwarze Schiff auf dem Meer, bevor die Nacht herabsank. Seine Männer halten Wacht auf Lenas Ebene. Sie erheben zehntausend Schwerter.“
„Laß sie doch zehntausend Schwerter heben“, sprach Nathos lächelnd. „Die Söhne des wagengetragenen Usnoth werden niemals zittern in Gefahr. Was wirfst Du Deine Gischt heran, brüllende See Erins? Was rüttelst Du Deine finsteren Schwingen, pfeifender Sturm des Himmels? Glaubt Ihr, Stürme, Ihr seid es, die Nathos an dieser Küste festhalten? Nein. Es ist seine Seele, die ihn zurückhält. Althos, bring die Waffen meines Vaters herbei. Du siehst sie den Sternen entgegenleuchtend. Bring den Speer Semos. Er ruht im dunkelbauchigen Schiff.“
Er brachte die Waffen. Nathos kleidete sich in den schimmernden Stahl. Lieblich war der Schritt des Helden, furchtbar die Freude seiner Augen. Er blickt dem herannahenden Cairbar entgegen. Der Wind rauscht in seinem Haar. Darthula steht schweigend an seiner Seite. Ihr Blick ist auf den König gerichtet. Sie bemüht sich, ihr heraufdrängendes Seufzen zu verbergen. Zwei Tränen wachsen in ihren strahlenden Augen.
„Althos“, sprach Ethas König, „ich sehe eine Höhle dort im Felsen. Birg Darthula dort. Laß Deinen Arm erstarken, mein Bruder. Ardan, wir begegnen dem Feind! Ruf zur Schlacht den finsteren Cairbar. O daß er käme in tönendem Stahl, den Sohn Usnoths zu treffen! Darthula, solltest Du entkommen, nicht sieh auf den gefallenen Nathos. Zieh Deine Segel auf, o Althos! Richte sie nach dem widerhallenden Wäldern meines Landes. Sag dem König, sein Sohn fiel ruhmreich, sein Schwert mied nicht den Kampf. Sag ihm, ich fiel inmitten Tausender. Laß die Freude in seinem Jammer erhaben sein. Tochter Collas! Rufe die Mädchen in Ethas widerhallenden Saal. Laß ihre Lieder aufsteigen für Nathos, wenn der schattenreiche Herbst zurückkehrt. O daß die Stimme Conas, daß Ossian gehört werde zu meinem Ruhm! Dann freute sich mein Geist inmitten der rauschenden Winde.“
Und meine Stimme soll Dich preisen, Nathos, König des waldigen Etha. Die Stimme Ossians soll sich erheben zu Deinem Ruhm, Sohn des hochherzigen Usnoth. Warum war ich nicht auf Lenas Ebene, als die Schlacht begann? Dann hätte das Schwert Ossians Dich verteidigt, oder er selbst wäre gefallen. Wir saßen in jener Nacht in Selma um die mächtige Muschel. Der Wind rauschte draußen in den Eichen. Der Geist der Berge schrie. Rauschend fuhr der Wind durch die Halle und griff sanft in meine Harfe. Der Ton war klagend und dunkel wie Grabesgesang. Fingal hörte es als erster. Die Fülle seiner Seufzer erhob sich in seiner Brust. „Einer meiner Helden ist gefallen,“ sprach der grauhaarige König Morvens. „Ich höre den Laut des Todes auf der Harfe. Ossian, berühre die klingende Saite. Laß Klagelieder erklingen, daß ihre Geister fliegen mögen freudenvoll zu Morvens waldigen Hügeln.“
Ich berührte die Harfe vor dem König, der Ton war gramvoll und tief. ‘Neigt Euch von Euren Wolken hernieder', sang ich, ‘Geister meiner Väter, neigt Euch. Legt ab den roten Schrecken Eurer Bahn. Nehmt den gefallenen König auf, komme er aus fernen Landen oder von der rollenden See. Laßt sein Kleid aus Nebel nahen, seinen Speer aus Wolken geformt. Heftet einen halberloschenen Meteor an seine Seite wie das Schwert eines Helden. Und - oh! Laßt seine Erscheinung lieblich sein, daß sich Freunde seiner Gegenwart freuen. Neigt Euch von Euren Wolken,’ sprach ich, ‘Geister der Väter, neigt Euch.’
So klang mein Lied in Selma zur leicht erzitternden Harfe. Doch Nathos an Erins Küste war von Nacht umgeben. Er hörte die Stimme des Feindes im Brüllen der stürmenden Wellen. Schweigend hörte er ihren Stimmen zu und rastete auf seinen Speer gelehnt. Der Morgen erhob sich mit seinem Licht. Wie graue Felsen mit ihren Bäumen erschienen die Söhne Erins, sie schwärmten der Küste entlang aus. Cairbar stand in der Mitte. Düster lächelte er, als er den Feind erblickte. Nathos rauschte voran in seiner Kraft, nicht konnte Darthula zurückbleiben. Sie folgte dem Helden und hob ihren schimmernden Speer. „Und wer sind diese in ihren Waffen, im Stolze der Jugend? Wer als die Söhne Usnoths, Althos und der dunkelhaarige Ardan?“ „Komm“, rief Nathos, „komm, König des hohen Temora! Laß uns kämpfen hier an der Küste um das weißbrüstige Mädchen. Seine Leute sind nicht bei Nathos, sie sind hinter der rollenden See. Was führst Du Deine Tausend gegen Ethas König? Du flohst vor ihm in der Schlacht, als die Freunde um seinen Speer versammelt waren.“ „Junger Mann mit Stolz im Herzen, soll Erins König gegen Dich kämpfen? Deine Väter waren nicht unter den Berühmten noch unter den Königen. Gibt es Waffen besiegter Feinde in Deinem Saal? Oder Schilde als alten Zeiten? Cairbar ist berühmt in Erin, nicht kämpft er mit Schwächlingen.“
Tränen entrannen dem wagengetragenen Nathos. Er wandte den Blick zu seinen Brüdern. Ihre Speere flogen gleichzeitig. Drei Helden lagen am Boden. Hellauf erglänzten ihre Schwerter. Die Reihen Erins wichen wie eine dunkle Wolkenbank dem Windstoß. Da sammelte Cairbar sein Kriegsvolk, und sie spannten tausend Bogen. Tausend Pfeile flogen. Die Söhne Usnoths stürzten blutüberströmt. Sie stürzten wie drei junge Eichen, die auf einem Hügel stehen. Der Wanderer sah die lieblichen Bäume und fragte sich, wie sie allein dort wachsen konnten. Der Wüstenwind kam in der Nacht und warf ihr grünes Haupt nieder. Den nächsten Tag kam er zurück, doch sie waren vergangen, und die Heide war leer.
Darthula stand in stummer Trauer und sah ihren Fall. Keine Träne mehr war in ihrem Auge. Doch ihr Blick ist voll wilder Trauer. Ihre Wange war blaß. Ihre zitternden Lippen brachen ein halbausgesprochenes Wort ab. Ihr dunkles Haar flog im Wind. Der düstere Cairbar kam. „Wo ist Dein Geliebter nun, der wagengetragene König Ethas? Sahst Du die Hallen Usnoths oder die dunklen, braunen Berge Fingals? Meine Schlacht hätte gebrüllt auf Morven, hätten nicht die Winde Darthula getroffen. Fingal selbst wäre erlegen, und Kummer wohnte in Selma.“ Ihr Schild fiel von Darthulas Arm. Ihre weiße Brust wurde sichtbar, doch war sie rot von Blut. Ein Pfeil stak in ihrer Seite. Sie sank auf den gefallenen Nathos wie eine Schneeflocke. Ihr Haar breitete sich über sein Gesicht. „Tochter Collas, Du bist dahin“, sangen Cairbars hundert Barden. „Schweigen liegt auf den blauen Strömen Selamas. Truthils Stamm ist erloschen. Wann wirst Du Dich erheben in Deiner Schönheit, erste unter Erins Mädchen? Lang ist Dein Schlaf im Grabe, der Morgen weit entfernt. Nicht wird die Sonne an Dein Bett treten und sprechen: Erwache, Darthula, erwache, erste der Frauen. Der Wind des Frühlings weht draußen im Freien: Die Blümen schütteln ihre Häupter auf den grünen Bergen, die neuergrünten Wipfel des Waldes heben und senken sich wie Meereswellen. Geh heim, o Sonne. Collas Tochter liegt im Schlaf. Nicht wird sie heraustreten in ihrer Schönheit. Nicht mehr wird sie vorwärtsschreiten in Lieblichkeit.“ So war das Lied der Barden, als sie das Grabmal errichteten. Ich selbst sang an dem Grabe, als der König Morvens kam, als er kam ins grüne Erin zur Schlacht gegen den wagengetragenen Cairbar.