Kommentar zum aktuellen Thema - Storyolympiade

von Gabi Scharf
Vieles, welches ein Redakteur in einem Artikel gerne schreiben würde, muß außen vorbleiben, auch wenn er subjektiv und kritisch berichtet. Vieles von dem muß aber dennoch nicht ungesagt bleiben - der Vorteil eines Kommentars, der eigenverantwortlich und außerhalb einer Redaktion anzusehen ist - so wie der folgende. Zudem sollte der geneigte Leser dies auch als sehr persönlichen Bericht einer Autorin sehen.

Das Ende der Storyolympiade war für mich gelinde gesagt ein Schock. Die schlechteste Nachricht überhaupt, die ich mir vorstellen konnte, wenn ich an die deutsche Phantastik- und auch Literaturszene dachte. Da war nicht nur der sehr persönliche Gedanke, wie ich Ende November eine Anthologie liebevoll einpacke und an Freunde verschicken würde - mit dem kleinen stolzen Zusatz: "... ist auch was von mir dabei...", sondern auch der ungute Gedanke daran, dass ein Projekt, welches ich eines der herausragendsten in den letzten drei Jahren ansah, einfach so von der Bildfläche verschwinden sollte.

Ein Projekt auch, in dem man sich als Autor wohlfühlen konnte. Kein wochenlanges Warten auf Eingangsbestätigung, die dann doch nicht kommt. Sorgen, Nöte, Anfragen - dass alles wurde ernstgenommen. Im Nachhinein erst mache ich mir Gedanken, wieviel Mails wohl Ernst Wudrack im Laufe von drei Jahren nur den Autoren geschrieben hat? Im Nachhinein auch der Gedanke, dass es für mich zwar nicht selbstverständlich war, aber ich es so genommen habe.

Es liegt wohl in der menschlichen Natur - und in der deutschen Mentalität noch viel mehr - einen Verantwortlichen zu finden, den man für ein Fiasko schuldig sprechen kann. Nachdem sich nicht nur Thomas Michel, sondern auch Ernst Wudrack mit einer sehr ausführlichen Mail bei mir meldeten, sehe ich das Ende einer dieser für mich wunderbaren Idee anders an.

Die Frage nach dem oder der Schuldigen stellt sich nicht mehr und ich sah es persönlich auch nicht als das Wichtige im Zusammenhang mit den Ende der Storyolympiade an - vielmehr wollte ich wissen. Die Frage nach dem Warum war wichtiger als alle Auslastungen meiner Frustrationstoleranz, die ich in den letzten Wochen erlebte.

Warum - viele Ereignisse führten zu einem wahren Flächenbrand oder zu einem gordischen Knoten, der trotz guten Willens in Ermangelung eines scharfen Schwertes nicht gelöst werden konnte. Auch diese Ereignisse kann man für das Ende dieser Idee m.E. nicht verantwortlich machen. Eher dann doch unsere eigene Mentalität, die manchen von uns zu eigen ist.

Als ich vor über drei Jahren Storyline-net gründete, herrschte hier in den heimischen Landen des Internets noch so etwas wie Gründermentalität. Man half sich - einfach so. Ein Link war keine Verpflichtung, sondern echtes Interesse, Werbung für ein Projekt kostete nichts und auch weiterführende Hilfe und Rat war völlig umsonst. Mit den Jahren schossen Literaturseiten wie Pilze aus dem Boden, mal überlebten sie die ersten Monate, mal scheiterten sie nach einem Jahr oder sie sind immer noch da. Plötzlich wurde die Frage der Finanzierung aufgeworfen und so war plötzlich so gut wie nichts mehr umsonst. Selbst ein kleiner Hinweis in einer Literaturzeitschrift kostet jetzt schon. Plötzlich stand auch das Wort "Konkurrenz" nicht nur im virtuellen Raum.

Ausnahmen bestätigen hierbei die Regel. Storyline lebt immer noch - nicht zuletzt, weil Redakteure sich die Kosten teilen und Autoren uns kostenlose Belegexemplare schicken oder aber auch und das ist das besondere, dass es immer noch Menschen mit Gründermentalität gibt, die ganz umsonst ohne alle Erwartungen über unser Magazin auf ihren Seiten berichten - auch Besucher, die kommen und die nicht zuletzt so das Überleben eines Magazins sicherstellen. Natürlich wird das einen Leser, der vorbeikommt und über Texte nachdenken, lachen oder sich unterhalten möchte, in dem Moment nicht bewußt. So soll es auch sein.

Hinter jedem Projekt wie dieses steckt vor allen Dingen harte Arbeit, viel Liebe, Zeit und natürlich auch Kosten, vor denen man nicht die Augen schließen kann und darf. Im Laufe der Zeit habe ich auch festgestellt, dass immer weniger Menschen machen und das die Zahl derer größer wird, die erwarten. Es mag ein Ausdruck unserer Zeit sein, dass selbstverständlich erwartet wird und das Projekte auf diese Erwartungshaltung eingehen müssen, um nicht zu scheitern. Immer mehr Arbeit, immer weniger Zeit, immer mehr Kosten ... und die Liebe zum Projekt wird zum echten Balancierstück auf einem hauchdünnen Seil, welches jederzeit reißen kann.

Nun stehen wir also vor einem gordischen Knoten und können ihn nicht entwirren. Wir trauern dem Verlust einer Idee, eines Projektes hinterher, welches wir aber auch nicht bereit waren, zu retten (einzelne sind davon ausgenommen). Wenn ich von wir rede, dann meine ich uns Autoren und damit schließe ich mich nicht aus. Die deutsche Phantastikszene lebt von uns, aber wir auch von ihr. Wenn sie nicht wäre, sollten wir unseren Rechner gar nicht erst einschalten oder die Schreibmaschine verpfänden, damit sie noch einem guten Zweck dienlich ist.

Wir haben (uns ver)spekuliert, in dem wir unsere Erwartungshaltung gegenüber dem Veranstalter als selbstverständlich ansahen. Die Anthologie war versprochen und wir wiegten uns in Sicherheit unserer Vita noch eine neue interessante Veröffentlichung hinzuzufügen. Wir erlagen der Täuschung, dass wir keinen Verlag hatten, der mit Honorar und ohne Selbstbeteiligung unsererseits, einen Text von uns veröffentlicht. Dachten wir tatsächlich, dass ein Projekt wie dieses keine Überlebenschancen hat, nur weil wir das machen jemanden anders überließen?

Wenn wir von Verantwortung reden, von Schuld und Unschuld, so sollten wir uns selbst nicht außer acht lassen. Wir, das sind Autoren, die weniger bekannt und jenseits einer echten Chance (obwohl sie jedem vergönnt sei, der es schafft) in einem großen kommerziell ausgerichten Verlag uns unser eigenes Publikum, unsere eigene Szene der deutschen Phantastik geschaffen haben. Wir haben unsere Leser, aber nur, weil es Menschen wie Ernst Wudrack gibt, die sie für uns erreichbarer, um nicht zu sagen, greifbarer machten. Menschen, die Risiken eingehen, nicht nur finanziell, die wirklich Verantwortung übernehmen und... die auch das Recht haben frustriert zu sein oder an Aufgabe denken, wenn das dünne Seil zerreißt.

Ernst Wudrack meinte zu mir, dass es wohl nicht der richtige Weg war, so und nicht anders die Storyolympiade und die Anthologie zu schaffen. Letztendlich zeigen die Stornierungen von vorher zugesagten Bestellungen nach dem Eklat, dass Autoren wie auch Leser nicht bereit waren, ihren Anteil an einer Idee weiter zu leisten. Ein Umstand, der mich persönlich noch mehr frustriert, als die Aufgabe einer Idee - denn verdienen wir nicht nur das, was wir einbringen oder zu leisten bereit sind?

Der gegangene Weg der Storyolympiade ist für mich weder richtig noch falsch. Er zeigte unsere Stärken, aber auch allzu menschlich verstanden werden wollenden Schwächen auf. Das was wir schlußendlich daraus ziehen, sei jedem selbst überlassen. Für mich ist das Ende dieser Idee ein schwerer Verlust - und in Anbetracht dessen auch ein Wegweiser für neue Projekte.

Es wäre für mich wünschenswert, wenn die deutsche Phantastikszene bereit wäre, sich zu wandeln. Wenn statt Konkurrenz und Egoismus wieder die Gründermentalität einsetzt, sich gegenseitig zu helfen und davon natürlich auch zu profitieren. Wir alle sind Autoren, die ihre Leser brauchen, um sich bestätigt zu fühlen und neue Welten der Phantasie Wirklichkeit werden zu lassen. Nur von uns allein hängt es ab, ob die deutsche Phantastikszene weiterleben oder wie das Projekt der Storyolympiade als Ausdruck von Hoffnung für wirklich gemachte Visionen untergehen wird.

[geschrieben für storyline-net und für Menschen, die wirklich etwas bewegt haben]