Storyolympiade - das Ende einer Idee

Am 6. September 2001 erreichte uns eine e-mail, die doch bei uns allen Verwunderung auslöste. Noch Wochen vorher haben wir von der Storyolympiade, von Resonanzen und Gewinnern berichtet (ganzer Artikel hier) und jetzt lasen wir folgendes:
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Lieber Autorinnen und Autoren

folgendes mußte ich Anfang der Woche in einem Newsletter lesen:

>Voraussichtlich im November diesen Jahres erscheint die zweite Anthologie der "Story-Olympiade" mit dem Titel "Geschöpfe der Dunkelheit". Irgendwie freue ich mich ja schon, dass ich es geschafft habe, meine Story "Joint-Venture" als Platz [..] von ca. 160 da platziert zu haben. Wer sich für dieses Buch interessiert, kann es entweder bei Ernst Wurdack oder Stefanie Pappon direkt bestellen, oder schamlos ausnutzen, dass ich als Autor einen Sonderpreis bekomme. Der beläuft sich auf DM 9.80 zzgl. Versand. Bestellungen sollten aber recht schnell passieren, da diese Autoren-Exemplare vorbestellt werden müssen.<

Solche Meldungen verbreiten sich natürlich rasend schnell im Netz. Und kaum 2 Tage später wissen es beinahe alle, die irgendwie mit Phantastik und Literatur im Netz zu tun haben. Vielleicht war es nur Gedankenlosigkeit, eher aber die hirnlose Wichtigtuerei eines Autors. Vielleicht war es aber auch 'schamlose' Absicht.

Wie dem auch sei, dies ist der Todesstoß für die Anthologie und damit auch für die Storyolympiade. Eine Möglichkeit weniger für unbekannte Autorinnen und Autoren, um ihre Storyies in gedruckter Form zu veröffentlichen.

Warum?

Weil wir darauf angewiesen sind ein Menge Exemplare zum Normalpreis zu verkaufen, um die Kosten für Rezensionsexemplare, für Verluste auf dem Postweg, für unsere Telefonate und für unseren Schriftverkehr zu decken. Dies ist durch die obige Meldung und deren rasche Verbreitung im Netz nun nicht mehr gewährleistet. Ich kann nicht als einzelne Privatperson mit ein paar tausend Mark in Vorleistung gehen, wenn ich absolut sicher bin, daß diese Kosten niemals wieder eingespielt werden. Es war schon schwer und langwierig genug, die Kosten der letzten Anthologie zu decken, aber jetzt wird es durch eine so lapidare Meldung leider unmöglich.

Wir wollten weiterhin mit dem Vorzugspreis den Teilnehmern und den Autoren - wie im letzen Jahr - die Möglichkeit geben, die Anthologie günstig zu erstehen. Oder darüber hinaus sogar einige Exemplare zum Normalpreis mit etwas Gewinn zu verkaufen, als Honorarersatz sozusagen. Es gibt Autoren und Autorinnen, welche große Stückzahlen geordert haben. Wie sollen sie diese jetzt noch zum Normalpreis an den Mann oder die Frau bringen können? Gar nicht mehr!

Also wird es keine Anthgologie geben und künftig auch keine Storyolympiade.

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal herzlich für die Unterstützung und die Mitarbeit des Teams, der Jury, der Autorinnen und der Autoren in den letzten 3 Jahren bedanken. Schade, daß es so kommen mußte.

Ich möchte mich aber auch gleichzeitig aus der 'Szene' verabschieden, denn ich werde mich aus dem Bereich Literatur und aus dem Web völlig zurückziehen. Bitte keine Versuche mich umzustimmen, die Entscheidung steht fest!

Vielleicht möchtet ihr auch ***, dem Verfasser des obigen Newsletters, eure Meinung kundtun. Vielleicht schafft er es, eine Anthologie auf die Beine zu stellen und unter diesen Umständen auch zu finanzieren. Könnte ja sein. Seine Adresse: ***

Ich hoffe, daß ihr Verständnis für meine Entscheidung habt.

Viele Grüße
Ernst Wurdack

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*** [Name der Red. bekannt]

Natürlich nahmen wir Kontakt mit Ernst Wurdack auf. Noch am gleichen Tag fragten wir via mail bei ihm an (da uns leider keine weiteren Daten für eine Kontaktaufnahme zur Verfügung standen), ob wir diesen Text, der vermutlich an allen teilnehmenden Autoren gesandt worden war, als offizielle Mitteilung betrachten könnten.

Letztendlich sehen wir es auch als eine Verpflichtung an, nicht nur Werbung für ein so in den Jahren beliebtes und großes Projekt zu machen, sondern auch über die Einstellung berichten zu müssen. Geht es doch nicht nur allein um die Initiatoren, sondern gerade in dem Fall um 160 Autoren, die von dieser Entscheidung überrascht und zum Teil berechtigterweise auch frustriert waren.

Eine Woche später nahmen wir die Recherchen wieder auf, fragten bei Autoren an, die uns auch nicht weiterhelfen konnten - letztendlich suchten wir nach einer Mitteilung auf der Webseite der Storyolympiade und mußten feststellen, dass diese nicht mehr im Internet zur Verfügung stand. Übrigens warten wir noch immer auf eine Antwort von Ernst Wurdack, haben allerdings die Hoffnung aufgeben, diese jemals zu erhalten.

Storyline-net ist nicht die einzige Plattform für Autoren, die das Projekt von ganzem Herzen nach mit unterstützt hat - deshalb erstaunt es uns um so mehr, dass Anfragen keiner Antwort wert waren. Nicht zuletzt haben wir uns dennoch entschlossen, diese mail vom 06.09. zu veröffentlichen, um unseren Lesern von dem Ende der Storyolympiade zu berichten.

Wir kennen nicht die genauen Hintergründe für das Ende des Projektes. Eine Gegendarstellung und die Bitte um Verständnis für die Initiatoren, welche die Anthologie vorfinanzieren, hätte das Projekt u.E.n. retten können. Doch dieser Versuch wurde nicht einmal unternommen.

Zum Schluß bleibt der ernüchternde Kommentar, dass Projekte wie diese Anthologie, wie diese Storyolympiade, sang und klanglos zu beenden, die deutsche Phantastikszene nachhaltig beeinflussen werden. Sicher - die Storyolympiade ist nicht das erste Projekt, welches dieses Ende nimmt - doch im Laufe der Jahre summieren sich diese Aufgaben. Es gibt kaum noch Möglichkeiten für Autoren dieses Genres ihre Kurzgeschichten in Anthologien erscheinen zu lassen. Mit der Zeit sehen wir, dass diese Möglichkeiten bald gegen Null tendieren werden. Für die Autoren erhoffen wir eine andere Entwicklung - die Realität sieht zur Zeit leider anders aus.

[geschrieben von gabi]

[aus: www.storyline.net ]