Amazon.de-Rezension von Simon Saxo, 31. Oktober 2004

Dieses Buch wird Tolkien keine Konkurrenz machen. Aber ist das wirklich ein Kriterium? Was dem Leser hier entgegentritt, ist keine bis ins Detail ausgefeilte Alternativwelt. Es ist fragmentarisch, erinnert an Tontöpfe in Museen, liebevoll aus Scherben zusammengepuzzelt, fehlende Stücke mit andersfarbigem Ton ergänzt. Geographisch liegt Movenna irgendwo im Baltikum, inhaltlich zwischen Till Ulenspiegel und Nibelungenlied. Romatische Rittergeschichten stehen neben fröhlichen Schwänken, und irgendwie ergeben sie zusammen ein Bild, das größer ist als die Summe seiner Teile. Recht unbefangen bedient sich die Autorin hie und da bei tradionellen Überlieferungen, was man ihr nicht unbedingt ankreiden sollte. Wer kennt schon den rügenslawischen Gott Svantevit, der in Movenna im Gott Witte Auferstehung feiert? Vermutlich ist er froh, daß man sich auf diese Art seiner erinnert. Und überhaupt - Hobbithöhlen haben mehr als zufällige Ähnlichkeit mit piktischen Brochs, die man in Schottland noch bewundern kann. Tolkien ist auch nur ein Dieb.

Außerdem sind Petra Hartmanns Geschichten für Fantasy erstaunlich aufgeklärt, gibt es seltsam hinterhältige Wendungen (Götter etwa dürfen im "Buch der Götter" nur Statistenrollen übernehmen.)

Überzeugend sind die movennischen Geschichten, weil sie sich den herrschenden Fantasy-Klischees konsequent entziehen, andererseits aber auch nicht in die Albernheit der Parodisten verfallen. Es gibt keine neuen Dämonenrassen, aber neue Gedanken zu entdecken. Die Aufklärung mancher Fragen findet man leider nur im Glossar, in dem es munter wie Kraut und Rüben, respektive wie Ruck und Tartuffeln, durcheinandergeht. Wenn man dem Buch einen Vorwurf machen kann, dann den: Autorin und Verlag hätten sich noch ein Jahr Zeit lassen sollen, ein paar Scherben mehr ausbuddeln und ein doppelt so dickes Buch herausbringen. So bleibt man als Leser ein bißchen unbefriedigt zurück. Aber vielleicht gibt es ja demnächst den Band "Neue Geschichten aus Movenna".